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Unwirksame Betriebsratswahl: Keine Briefwahlpflicht für unmittelbar an umzäuntes Werksgelände angrenzende Betriebsstätten

Dass auch bei großen Industrieunternehmen eine Betriebsratswahl in die Hose gehen kann, mag die einen trösten und andere entrüsten. Doch das Urteil des mit dem folgenden Fall betrauten Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist durchaus beispielhaft, sollte einmal mehr die Frage anstehen, was "räumlich weit vom Hauptbetrieb" bedeutet, wenn ein Betriebsrat aufgrund der Entfernung Briefwahl anordnen möchte.

Ein großer Automobilkonzern betrieb ein Werk zur Herstellung von Nutzfahrzeugen. Das mehrere Hektar große Werksgelände war von einem geschlossenen Werkszaun umgeben, der Zugang erfolgte durch vom Werkschutz kontrollierte Tore. Außerhalb des umzäunten Geländes befanden sich weitere Betriebsstätten, die dem Hauptwerk organisatorisch zugeordnet waren und von dem dort gewählten Betriebsrat vertreten wurden. Für die Betriebsratswahl war ein Wahlvorstand gewählt worden, der nun Folgendes entschieden hatte: Es sollte für die Arbeitnehmer sämtlicher außerhalb des geschlossenen Werksgeländes liegender Betriebsstätten ausschließlich die schriftliche Stimmabgabe erfolgen, der Betriebsrat sollte also per Briefwahl gewählt werden. Drei der davon betroffenen Betriebsstätten liegen unmittelbar angrenzend an das umzäunte Werksgelände. Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses hatten neun wahlberechtigte Arbeitnehmer die Wahl angefochten. Sie meinten, die Briefwahl hätte nicht für sämtliche außerhalb des geschlossenen Werksgeländes liegende Betriebsstätten beschlossen werden dürfen.

Das BAG erklärte die Betriebsratswahlen für unwirksam. Der Wahlvorstand kann zwar die schriftliche Stimmabgabe für räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernte Betriebsteile und Kleinstbetriebe beschließen (§ 24 Abs. 3 der Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz). Hier war der Wahlvorstand jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, dass diese Voraussetzung auch bei den drei unmittelbar an das umzäunte Werksgelände angrenzenden Betriebsstätten erfüllt war - selbst unter Berücksichtigung eines ihm zustehenden Beurteilungsspielraums. Die Wahl war daher zu Recht anfechtbar, da dieser Fehler geeignet sei, das Wahlergebnis zu beeinflussen.

Hinweis: Die Regelungen zur Wahl eines Betriebsrats finden Sie im Betriebsverfassungsgesetz und in der dazugehörigen Wahlordnung. Ganz einfach sind die Regelungen nicht zu verstehen - insbesondere, wenn Wahlen in größeren Unternehmen anstehen. Die entsprechenden Wahlvorstände haben allerdings das Recht, sich rechtlich beraten zu lassen und gegebenenfalls auch entsprechende Schulungen zu besuchen.


Quelle: BAG, Beschl. v. 16.03.2022 - 7 ABR 29/20
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 05/2022)